Diakonie Magazin 2022/Nr. 2 herunterladen

Nach zähem Warten auf das Okay der Ärzte ging plötzlich alles schnell. Eine Woche Praktikum im Betrieb dienten zur Arbeitserprobung und zum Kennenlernen, die Zusage kam prompt. In der Woche darauf ging die Ausbildung auch schon los. »Das war ein Glücksfall.«

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Vorstandswechsel in der Diakonie Tabea Bozada

Umbau der Leitungsstruktur

Mit einem Gottesdienst und anschließender Begegnungszeit endete die Amtszeit von Pfarrer Matthias Ewelt in Diakonie Erlangen und Stadtmission Nürnberg. Der 1965 in Gunzenhausen als Sohn eines Schuhmachers und einer Hauswirtschafterin geborene Theologe war seit 2017 Vorstandssprecher des diakonischen Unternehmensverbundes mit 1.900 hauptamtlichen Mitarbeitenden.

Er studierte in Erlangen und Heidelberg und war als Vikar in der fränkischen Schweiz und einer Gemeinde im US-amerikanischen Atlanta eingesetzt. Ab 1994 arbeitete er als Pfarrer in unterschiedlichen fränkischen Gemeinden, wurde 2010 Dekan im Dekanatsbezirk Neustadt/ Aisch und wechselte 2017 vollzeitlich von der Evangelischen Landeskirche Bayern (ELKB) zur Diakonie. Nach fünf Jahren als Theologischer Vorstand der Diakonie Erlangen und der Stadtmission Nürnberg übernimmt Matthias Ewelt im Oktober 2022 in Neunkirchen die Geschäftsführung der Diakonie Saar ebenso wie das Amt des saarländischen Diakoniepfarrers.

In seiner Abschiedspredigt griff Ewelt einen Vers aus dem Petrusbrief auf: »All eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch«. Dieses Gebot sei nicht nur für Menschen in Not und Elend formuliert, sondern richte sich vornehmlich an »Führungskräfte und Leute, die Verantwortung tragen.« Es sei ein »phänomenales Angebot« Gottes und gleichzeitig »nichts für Feiglinge«. Denn es koste »Muskelkraft und Überwindung«, die eigene Last mit Entschiedenheit abzugeben an den, der tragen könne. »Der Blick auf Gott, das Loswerden meiner Sorgen bringt in Beziehung zu ihm, genauso wie zu den Menschen. Sie sind dann keine Klienten, keine Mitarbeitenden, keine Chefs, keine Opfer, keine Täter, keine Bewohnerinnen. Sie sind geeint im Füreinander«, so Ewelt in seiner Predigt.

MATTHIAS EWELT

Der 57-jährige Matthias Ewelt verlässt die Region und wird im Herbst Diakoniepfarrer und theologischer Geschäftsführer bei der Diakonie Saar.

Selbstbewusst kirchlich

Auch in seiner aktiven Amtszeit beschäftigte sich der Theologe schwerpunktmäßig mit kirchlich-diakonischen Grundsatzfragen im Unternehmensverbund. »Wir sind gut beraten, wenn wir uns in der Diakonie als kirchlicher Träger profilieren und nicht als eines von vielen Sozialunternehmen lediglich einen diskreten kirchlichen Anstrich versehen«, betonte Ewelt und führte aus, was dieses Profil ausmache: »Wir berufen uns auf Christus und nicht auf uns selbst. Wir vertrauen einander, weil wir wissen, dass Gott durch uns wirkt. Wir stehen zueinander, weil auch Gott uns unterschiedslos anerkennt.« Es sei ihm immer wichtig gewesen, dieses Selbstverständnis im diakonischen Miteinander zu stärken – auch unter immer mehr konfessionslosen Mitarbeitenden.

Umgekehrt wünsche er sich, dass die »verfasste Kirche« ihrerseits stärker für die Diakonie eintrete – auch gegenüber öffentlichen Entscheidungsträgern. So sehe er das Subsidaritätsprinzip zunehmend bröckeln: »Wir müssen gegenüber der Politik einfordern, dass soziale Fürsorgeaufgaben, die die Diakonie vom Staat übernimmt, auch auskömmlich finanziert werden. Wir können nicht auf Kosten der eigenen Mitarbeitenden für jede von uns übernommene, gesetzlich verankerte Hilfe- und Fürsorgeleistung noch Geld zuschießen.«

Die Diakonie sei in einer zunehmend »entchristlichten Gesellschaft« der Ort, wo die allermeisten Menschen noch erleben, wie »gelebte Kirche« wirkt. »Die Diakonie ist also existenzsichernd für Menschen und Kirche«, bilanziert der 57-Jährige.

Diakonie als sozialer Kitt

Diakonie als sozialer Kitt Auf die soziale Lage in der Region blickt Ewelt hingegen besorgt. »Der Pflegenotstand, auf den wir seit Jahren hinweisen, wächst sich zu einer Pflegekatastrophe aus. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt viel schneller als sich Zahl und Umstände der pflegenden Fachkräfte verbessern. « Alarmiert habe Ewelt in seiner Zeit als Diakonievorstand in Nürnberg und Erlangen auch beobachtet, wie sich »die Armut im städtischen Ballungsgebiet verfestigt und selbst verstärkt«.

Es habe in den letzten fünf Jahren keinen einzigen, mutigen politischen Wurf gegeben, der Armutsspiralen auflöse. Alleinerziehende, psychisch instabile, oftmals zugleich arbeitssuchende Menschen, Familien mit Niedrigeinkommen, arme Rentner*innen – für sie alle verschärfe sich seit Jahren die Lebenssituation. »Existenzsorgen und Lebensperspektiven hängen 1:1 zusammen.

Mindestens ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland fehlt das Geld für das Lebensnotwendigste. Solche Lebenslagen machen krank, potenzieren und vererben sich.« Die Leistungsgesellschaft sei eine Illusion, man lebe in einer chancenungleichen Erfolgsgesellschaft, die zu viele Menschen und ihr Potenzial übergehe.« Deshalb ärgere es ihn, dass selbst Sozialpolitik in unserem Land häufig von Neiddebatten getrieben statt von Zukunftsbewusstsein geleitet werde. »Mit den tiefer werdenden sozialen Gräben wird die sozial-diakonische Arbeit immer wichtiger. Auch wenn wir es uns andersherum wünschen.«

Dankbar sei er darüber, dass in Nürnberg Kommune und Bürger*innen für die zunehmende materielle und soziale Not vieler sensibilisiert seien und gemeinsam versuchten, Löcher zu stopfen. Auffällig steigende Spendenaufkommen für die Arbeit von Stadtmission und Diakonie Erlangen oder die 2019 mit der Stadt realisierte Eröffnung einer zweiten Wärmestube im Zentrum Nürnbergs seien in Ewelts Amtszeit wichtige Signale in dieser Richtung gewesen.

 



KEIN JOB WIE JEDER ANDERE ANNA THIEL

Selbstbewusst rangiert Lilli Keil den großen Transporter in die Einfahrt der Tagespflege, damit die Senioren*innen sicher ins Fahrzeug einsteigen können. »Mir liegt das Fahren«, sagt die 21-Jährige, »und alte Menschen mag ich sowieso voll gerne«. Beim Ein- und Aussteigen stützt sie die Alten geschickt und stabil, damit niemand stolpert oder stürzt.

Um die Gäste der Tagespflege im Maria-Busch-Haus morgens abzuholen und abends wieder nach Hause zu fahren, sind täglich vier Fahrer*innen im Einsatz. Für betreuende Angehörige ist die Tageseinrichtung eine große Entlastung, denn die Gäste – viele von ihnen sind an Demenz erkrankt – haben hier einen strukturierten Alltag außerhalb der eigenen vier Wände und können doch im eigenen Zuhause leben. Ohne den hauseigenen Fahrdienst der Diakonie AKTIV würde es nicht laufen, einige Angehörige fahren aufgrund ihres eigenen Alters nicht mehr selbst Auto, andere stehen im Arbeitsleben und können die Betreuung nur so organisieren.

LILI KEIL

liegt das Fahren, das merkt man auch beim Rangieren im engen Hof der Tagespflege.

Bevor Lilli Keil als Fahrerin in der Tagespflege begann, jobbte sie als Barkeeperin. Als es 2020 mit der Pandemie losging und der Club vorübergehend schloss, musste sie sich neu orientieren. Einen »Standardjob « habe sie nicht machen wollen. Angefangen hat sie mit Essensfahrten für die Seniorenheime der Diakonie Erlangen, dann kam der Fahrdienst für die Gäste der Tagespflege dazu. Lilli Keil ist die einzige Frau im 12-köpfigen Team, das hauptsächlich aus Rentnern*innen, Studierenden – wie sie selbst – und Geflüchteten besteht.

»Das Betriebsklima ist top, wie eine zweite Familie«, das sei sowieso wichtiger als die Arbeit an sich, findet die kommunikative und schlagfertige junge Frau. Sogar die ein oder andere Freundschaft hat sich schon ergeben. Auch wenn sie morgens schon um 7 Uhr auf der Matte stehen muss, geht Lilli Keil mit Freude arbeiten. »…In der Frühschicht manchmal auch in Jogginghose«, gibt sie lachend zu. Nebenbei unterstützt sie auch den Küchenservice der Tagespflege. Die Geschwindigkeit ihrer Handgriffe und, dass sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt, hat sie wohl in der Gastronomie und während ihrer Ausbildungszeit in der Hotelbranche gelernt – oder es liegt ihr einfach im Blut. Nicht nur im Team, auch mit den Senioren*innen stimmt die Chemie. Einmal habe eine Dame sie darum gebeten, zuletzt abgesetzt zu werden, obwohl sie eigentlich ganz nah bei der Tagespflege wohnt. »Sie wollte einfach noch ein bisschen unter Menschen sein, sich unterhalten und nebenbei was von der Stadt sehen«, erinnert sich Keil. Manche seien einsam und froh um jede Minute mit anderen.

»In der Frühschicht fahre ich manchmal auch in Jogginghose«, sagt Lilli Keil, 21, lachend.

Die 21-Jährige erfährt viel aus dem Leben der Gäste, von früher, den Kriegszeiten und natürlich von der Liebe. »Sie wissen meistens meinen Namen und sind total dankbar für das, was wir hier tun.« Jede*n Einzelne*n bringt sie bei der Heimfahrt bis zur Haustüre – wenn nicht ohnehin schon deren Angehörige vor dem Haus auf sie warten. »Ich habe ja die Verantwortung, dass sie gut ankommen «, sagt sie, »lieber dauert es zwei Minuten mehr und ich mache es gescheit.«

Zur Tagespflege für Senioren*innen

 


DANK AN MITARBEITENDE

Am 11. Mai trafen sich die Mitarbeitenden der Diakonie Erlangen auf dem Erlanger »Entlas Keller«. Diakonieabend – das heißt sich endlich mal wieder »in echt« sehen, sich unkompliziert mit Kollegen*innen aus anderen Einrichtungen austauschen. Aber vor allem heißt das auch »DANKE« sagen für das Engagement jeder einzelnen Person im Unternehmen. Man könne den Einsatz der Mitarbeitenden nicht genug würdigen – gerade in den besonderen Zeiten der Pandemie, betonte Vorständin Gabi Rubenbauer. Mit den zahlreichen Kollegen*innen trafen sich vor Ort auch Einrichtungsleiterin der Sozialen Dienste Elke Bollmann, Bereichsleiterin Gabriele Koszanowski sowie Peter Huschke, Dekan des Evang.-Lutherischen Dekanatsbezirkes zur Erlanger »Bergluft«.


Herausforderung Zukunft Anna Thiel

Förderung fürs ganze Leben

Sowohl Angebot als auch Nachfrage sinken auf dem Ausbildungsmarkt. Gleichzeitig sind Fachkräfte stark nachgefragt. Jedes Jahr finden viele junge Menschen keinen Platz in einem normalen Ausbildungsbetrieb, trotz freier Lehrstellen. »Es gibt ein Problem beim Matching«, erklärt Wolfgang Gremer, Leiter der Jugendwerkstatt Erlangen.

Neben den vier Absolventen*innen werden aktuell zehn Jugendliche in der Einrichtung der Diakonie Erlangen zu Schreiner*innen und Fachpraktiker*innen für Holzverarbeitung ausgebildet. Sie alle haben entweder keinen Platz in gewerblichen Betrieben gefunden oder ihre dortige Ausbildung nicht geschafft. »Niedriges Arbeitstempo, Traumata, Sprachbarrieren und vieles mehr« benennt der 52-Jährige als Gründe. »Die jungen Leute, die wir ausbilden, bringen oft schwerwiegende Biografien und ernste psychische Belastungen mit.« In gewerblichen Betrieben fehle dem Personal die Zeit, um Rücksicht zu nehmen. »Die biografische Einzelarbeit braucht den richtigen Umgang «, dafür gibt es in der Jugendwerkstatt pädagogischen Fachkräfte.

Die Vermittlung der Lehrinhalte ist stark individualisiert. »Wir möchten den jungen Menschen ein stabiles Fundament für ihr ganzes Leben mitgeben und Benachteiligung abbauen.« Die Auszubildenden nehmen das gut an: Die Zahl derjenigen, die die Ausbildung abbrechen, ist sehr gering. So haben in den Ausbildungsjahren 2020/2021 und 2021/2022 von den insgesamt 26 Auszubildenden lediglich drei Auszubildende ihre Lehre abgebrochen – entweder, um ihren Schulabschluss nachzuholen oder in einen anderen Beruf zu wechseln.

VANESSA

Stolz und erleichtert präsentiert Vanessa ihr fertiges Gesellenstück: einen Schreibtisch aus Kirschholz kombiniert mit Mangofurnier und schwarzem Linoleum.

»Das war ein Glücksfall«

Vanessa ist eine von vier Auszubildenden, die diese Woche ihr Gesellenstück abgeben. 80 Stunden Arbeitszeit darf in die Herstellung fließen, die 20-Jährige hat es in 72 geschafft. Stolz und erleichtert präsentiert sie am Wochenende einen sehr gelungenen Schreibtisch.

Nach der Mittelschule hatte Vanessa eine Ausbildung als Verkäuferin begonnen, bevor sie krank wurde und ein ganzes Jahr ausfiel. »Mir ist in dieser Zeit bewusstgeworden, dass ich etwas Anderes will«, erinnert sich die junge Frau. Ein Flyer im Berufsgrundschuljahr machte sie auf die Jugendwerkstatt aufmerksam und sie bewarb sich. Nach zähem Warten auf das Okay der Ärzte hinsichtlich ihrer Gesundheit und Belastbarkeit ging plötzlich alles schnell. Eine Woche Praktikum im Betrieb dienten zur Arbeitserprobung und zum Kennenlernen, eine Woche darauf ging die Ausbildung auch schon los. »Das war ein Glücksfall«, sagt sie heute.

Zwei Jahre ist das her und Vanessas Gesellenstück beweist, dass es diesmal richtig »gematcht« hat. Der Schreibtisch habe gute Chancen, für den Gestaltungswettbewerb »Die Gute Form« nominiert zu werden, meint Einrichtungsleiter Gremer. Kirschholz kombiniert mit Mangofurnier und schwarzem Linoleum – eine eigensinnige Kombination, aber bei manchen Dingen sei sie eben stur. »Die wissen, wie ich ticke«, sagt Vanessa über das Kollegium. »Früher habe ich mir nichts sagen lassen«, sie grinst, »aber ich bin kritik- und teamfähiger geworden«. Trotz des Drucks, den das Lernen bei ihr auslöst, sei das Miteinander und die Betreuung einfach gut. Von Anfang an habe sie sich wohlgefühlt, war sogar bis zuletzt gewählte Jugendvertreterin in der Einrichtung.

Vanessas Gesellenstück habe das Zeug dazu, für den Wettbewerb »Die Gute Form« nominiert zu werden, meint Einrichtungsleiter Wolfgang Gremer.

Der in die Schublade eingearbeitete Steinbock steht für Vanessas Sternbild. Das Talent der 20-Jährigen fürs Handwerk ist unverkennbar.

Finanzierung alles andere als gesichert

Finanziell ist der Betrieb der Jugendwerkstatt nach wie vor eine Herausforderung. »Die Kosten für eine Azubi-Stelle sind bei Weitem nicht refinanziert«, erklärt Gremer. Die Finanzierungslücke werde bestmöglich durch Spenden, Zuschüsse und Querfinanzierungen der Diakonie Erlangen und Stadtmission Nürnberg gestopft – das sei aber keine dauerhaft tragfähige Lösung. Der Einrichtungsleiter sucht immer wieder neue Einnahmequellen, denn die Lücke wächst: »Wir versuchen die Finanzierung der Jugendwerkstatt sicherzustellen, indem wir intensiv potentielle Geldgeber ansprechen«. Sowohl die Agentur für Arbeit als auch diverse Stiftungen seien im Fokus der Bemühungen, um die institutionelle aber auch die Einzelfallförderung zu gewährleisten. Gremer ist besorgt, denn »auch bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung und die steigenden Rohstoff- und Energiepreise ist die Finanzierung für die Zukunft alles andere als gesichert«.

Etwa 20 Prozent des Haushaltsvolumens erzielt die Jugendwerkstatt durch Erlöse aus Auftragsarbeiten im Möbelbau. Die Basis-Finanzierung der Jugendwerkstatt wird von der Stadt Erlangen und der Evangelischen Landeskirche Bayern sichergestellt. Die Bayerische Staatsregierung und das Jobcenter der Stadt Erlangen unterstützen die Ausbildung einzelner benachteiligter Jugendlicher zudem durch Projektmittel.

Zur Jugendwerkstatt​​​​​​​

 


Tafel Reagiert auf Belastung Anna Thiel

Nach vier Monaten extremer Belastung stellt die Tafel Erlangen die Lebensmittelversorgung für Kunden*innen in der Schillerstraße 52 a zunächst auf einen 14-tägigen Rhythmus um. »Die Lebensmittelausgabe findet jede Woche an den regulären Ausgabetagen Montag, Mittwoch und Samstag statt«, erklärt Teamleiter Johannes Sikorski, »jede*r Kunde*in kann alle zwei Wochen zur Abholung kommen, bekommt aber etwas mehr als bisher«. Die Kunden*innen werden dafür in Gruppen aufgeteilt; ein System, das sich bewährt hat. Die ukrainischen Geflüchteten seien jetzt in den Regelbetrieb integriert, besäßen Tafelausweise und erhielten wie andere Tafelkunden*innen auch Sozialhilfe vom Staat. Die Ausgabe werde aufgrund der hohen Nachfrage verlängert und das Team im Schichtbetrieb eingesetzt. Sikorskis Bilanz: »Für unsere Ehrenamtlichen waren die letzten Monate eine enorme Kraftanstrengung. « Viele von ihnen seien 20 bis 25 Stunden pro Woche im Einsatz gewesen.

Herausforderung gemeistert

Die Kunden*innenzahlen der Tafel Erlangen haben sich im letzten halben Jahr mehr als verdoppelt. Einen zusätzlichen Raum zur Lagerung von Lebensmitteln hatte die Stadt Erlangen der Tafel kurzerhand zur Verfügung gestellt, um die plötzlich nötige Erstversorgung von ukrainischen Geflüchteten gewährleisten zu können. Zahlreiche Spenden füllten kurzfristig die leeren Lager wieder auf und nach kurzer Zeit wurde ein zusätzlicher Ausgabetag ins Leben gerufen, um die hohe Nachfrage bedienen zu können.

Ein riesiger Mehraufwand für das fast ausschließlich ehrenamtliche Team. »Unsere Mitarbeitenden haben vier Monate Höchstleistungen vollbracht«, resümiert Johannes Sikorski, »dafür sind wir unheimlich dankbar«. Dass sich irgendwann Erschöpfung einstelle, sei mehr als verständlich. Auch seien die Räumlichkeiten der Tafel nicht auf diese Kapazitäten ausgelegt. Den zweitweise zusätzlich genutzten Raum braucht die Stadt seit Juli selbst wieder. 1.500 Tüten gingen für die ukrainischen Tafelkunden*innen pro Ausgabetag über den Tresen, an dem nur begrenzt Platz sei. »Da kann man nicht einfach mehr Leute hinstellen, die treten sich auf die Füße«, so Sikorski. »Das Team ist am Anschlag«. Die Versorgung in dem neuen Ausmaß sei kräftezehrend und müsse machbar bleiben, dafür soll auch die neue Ausgaberoutine sorgen.

OLENA UND ROMAN

aus Kiew sind Kunden*innen bei der Tafel – und helfen ehrenamtlich mit.

Ukrainisches Paar packt mit an

Unterstützt werden die Mitarbeitenden auch von zwei Neuen im Team, Olena und Roman. Das ukrainische Ehepaar war im März nach dem zweiten großen Bombenangriff auf ihre Heimatstadt Kiew nach Deutschland geflohen und selbst als Kunden*innen zur Tafel gekommen. Schon kurz darauf helfen sie ehrenamtlich mit. Beim Besuch in der Schillerstraße 52a während der Ausgabe für Ukrainer*innen sortiert Olena gerade das Obst und teilt es gerecht zu, Roman hilft vorne, wo die fertigen Tüten über den Tresen gehen. Im Hof steht immer noch eine große Traube wartender Familien, Kinder flitzen durch die Menge, obwohl die Ausgabe schon seit einer Stunde läuft. Sozialhilfe und Essensausgaben kenne man in der Ukraine nur vom Staat, erklärt Olena, darum sei wahrscheinlich vielen Landsleuten nicht von Anfang an bewusst, was hier alles freiwillig geleistet werde. Ihrem Mann und ihr sei schnell klar gewesen, wie hart das Tafel-Team arbeite und dass sie hier nützlich sein könnten. Sie erklären den ukrainischen Kunden*innen die Regeln in ihrer Muttersprache und übersetzen bei Rückfragen – eine riesige Hilfe für die anderen Mitarbeitenden.

Schon vier Mal war das Paar zusammen nach Deutschland gereist, vor dem Krieg. Jetzt belegen sie einen Deutschkurs – an ein paar Brocken erinnert sich Olena aus dem Schulunterricht – und sehen zu, dass alle Dokumente fürs Jobcenter beisammen sind. Schon im März hatten sie eine private Unterkunft gefunden. Ab September werden ihre Kinder hier die Schule besuchen. Dass es schwerfällt, die Auswirkungen hier und die schrecklichen Bilder und Nachrichten aus der Heimat zu ertragen, ist beiden anzusehen. Aber es sei besser etwas zu tun, als nur dazusitzen, meint Olena. In der Ukraine haben sie und Roman einen eigenen Laden zurückgelassen, in dem es vegane, ökologische Produkte zu kaufen gab – auch in Kiew war das richtig angesagt.

Prognose bereitet Sorgen – Kapazitätsgrenzen nahen

»Wir erwarten im Herbst und Winter eine weiter steigende Nachfrage bei der Tafel«, prognostiziert Elke Bollmann, Leitung der sozialen Dienste in Erlangen. Die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise sorgten dafür, dass bei vielen Menschen das Geld nicht mehr zur Existenzsicherung reiche und sie in Armut rutschten – auch in Erlangen. Vor allem Rentner*innen würden derzeit bei den Maßnahmen der Politik zu wenig berücksichtigt und kämen häufiger finanziell in Bedrängnis.

Angesichts der steigenden Kunden*innenzahlen kommt die Tafel mit der vorhandenen Infrastruktur, wie Lager und Kühlkapazitäten, zudem an ihre eigenen Grenzen. »Der Platz reicht für die benötigten Lebensmittelmengen bald nicht mehr aus«, erklärt Bollmann, die bereits im Austausch mit Unterstützern*innen aus der Stadtgesellschaft ist, um nach Lösungen zu suchen.

 Zur Tafel Erlangen

 

Kontakt

Pressesprecherin Sabine Stoll

Sabine Stoll Pressesprecherin, Leiterin Unternehmenskommunikation

Raumerstraße 9
91054 Erlangen

(0911) 35 05 – 154

sabine.stoll@diakonie-erlangen.de

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