Jugendwerkstatt Erlangen: Herausforderung Zukunft

Während die Jugendwerkstatt Erlangen nach wie vor mit der Finanzierung kämpft, haben vier Auszubildende der Einrichtung ihre Gesellen- bzw. Fachwerkerprüfung abgelegt. Am Wochenende werden die Gesellenstücke bei der Firma Schachermayer in Tennenlohe und im staatlichen Beruflichen Schulzentrum in Bamberg ausgestellt, am Sonntag sogar öffentlich (10.00 Uhr – 14.00 Uhr).

Förderung fürs ganze Leben

Sowohl Angebot als auch Nachfrage sinken auf dem Ausbildungsmarkt. Gleichzeitig sind Fachkräfte stark nachgefragt. Jedes Jahr finden viele junge Menschen keinen Platz in einem normalen Ausbildungsbetrieb, trotz freier Lehrstellen. »Es gibt ein Problem beim Matching«, erklärt Wolfgang Gremer, Leiter der Jugendwerkstatt Erlangen. Neben den vier Absolventen*innen werden aktuell zehn Jugendliche in der Einrichtung der Diakonie Erlangen zu Schreinern*innen und Fachpraktikern*innen für Holzverarbeitung ausgebildet. Sie alle haben entweder keinen Platz in gewerblichen Betrieben gefunden oder ihre dortige Ausbildung nicht geschafft. »Niedriges Arbeitstempo, Traumata, Sprachbarrieren und vieles mehr« benennt der 52-Jährige als Gründe. Auch als Frau sei es in der Branche nach wie vor nicht leicht. »Die jungen Leute, die wir ausbilden, bringen oft schwerwiegende Biografien und ernste psychische Belastungen mit.« In gewerblichen Betrieben fehle dem Personal die Zeit, um Rücksicht zu nehmen. »Die biografische Einzelarbeit braucht den richtigen Umgang«, dafür gibt es in der Jugendwerkstatt pädagogischen Fachkräfte. Die Vermittlung der Lehrinhalte ist stark individualisiert. »Wir möchten den jungen Menschen ein stabiles Fundament für ihr ganzes Leben mitgeben und Benachteiligung abbauen.«
Die Auszubildenden nehmen das gut an: Die Zahl derjenigen, die die Ausbildung abbrechen, ist sehr gering. So haben in den Ausbildungsjahren 2020/2021 und 2021/2022 von den insgesamt 26 Auszubildenden lediglich 3 Auszubildende ihre Lehre abgebrochen – entweder, um ihren Schulabschluss nachzuholen oder in einen anderen Beruf zu wechseln.

»Das war ein Glücksfall«

Vanessa ist eine von vier Auszubildenden, die diese Woche ihr Gesellenstück abgeben. 80 Stunden Arbeitszeit darf in die Herstellung fließen, die 20-Jährige hat es in 72 geschafft. Stolz und erleichtert präsentiert sie am Wochenende einen sehr gelungenen Schreibtisch.
Nach der Mittelschule hatte Vanessa eine Ausbildung als Verkäuferin begonnen, bevor sie krank wurde und ein ganzes Jahr ausfiel. »Mir ist in dieser Zeit bewusstgeworden, dass ich etwas Anderes will«, erinnert sich die junge Frau. Ein Flyer im Berufsgrundschuljahr machte sie auf die Jugendwerkstatt aufmerksam und sie bewarb sich. Nach zähem Warten auf das Okay der Ärzte hinsichtlich ihrer Gesundheit und Belastbarkeit ging plötzlich alles schnell. Eine Woche Praktikum im Betrieb dienten zur Arbeitserprobung und zum Kennenlernen, die Zusage kam prompt und eine Woche darauf ging die Ausbildung auch schon los. »Das war ein Glücksfall«, sagt sie heute.
Zwei Jahre ist das her und Vanessas Gesellenstück beweist, dass es diesmal richtig »gematcht« hat. Der Schreibtisch habe gute Chancen, für den Gestaltungswettbewerb »Die Gute Form« nominiert zu werden, meint Einrichtungsleiter Gremer. Kirschholz kombiniert mit Mangofurnier und schwarzem Linoleum – eine eigensinnige Kombination, aber bei manchen Dingen sei sie eben stur. »Die wissen, wie ich ticke«, sagt Vanessa über das Kollegium. »Früher habe ich mir nichts sagen lassen«, sie grinst, »aber ich bin kritik- und teamfähiger geworden«. Trotz des Drucks, den das Lernen bei ihr auslöst, sei das Miteinander und die Betreuung einfach gut. Von Anfang an habe sie sich wohlgefühlt, war sogar bis zuletzt gewählte Jugendvertreterin in der Einrichtung.


Finanzierung alles andere als gesichert

Finanziell ist der Betrieb der Jugendwerkstatt nach wie vor eine Herausforderung. »Die Kosten für eine Azubi-Stelle sind bei Weitem nicht refinanziert«, erklärt Gremer. Die Finanzierungslücke werde bestmöglich durch Spenden, Zuschüsse und Querfinanzierungen der Diakonie Erlangen und Stadtmission
Nürnberg gestopft – das sei aber keine dauerhaft tragfähige Lösung. Der Einrichtungsleiter sucht immer wieder neue Einnahmequellen, denn die Lücke wächst: »Wir versuchen die Finanzierung der Jugendwerkstatt sicherzustellen, indem wir intensiv potentielle Geldgeber ansprechen«. Sowohl die Agentur für Arbeit als auch diverse Stiftungen seien im Fokus der Bemühungen, um die institutionelle aber auch die Einzelfallförderung zu gewährleisten. Gremer ist besorgt, denn »auch bedingt durch die wirtschaftliche Entwicklung und die steigenden Rohstoff- und Energiepreise ist die Finanzierung für die Zukunft alles andere als gesichert«.
Etwa 20 Prozent des Haushaltsvolumens erzielt die Jugendwerkstatt durch Erlöse aus Auftragsarbeiten im Möbelbau. Die Basis-Finanzierung der Jugendwerkstatt wird von der Stadt Erlangen und der Evangelischen Landeskirche Bayern sichergestellt. Die Bayerische Staatsregierung und das Jobcenter der Stadt Erlangen unterstützten die Ausbildung einzelner benachteiligter Jugendlicher zudem durch Projektmittel.

Hilfe im Leben – Diakonie Erlangen